Freitag, 14. September 2007

Privatisierung tötet

Bevor ich anfangs Jahr wieder in die Schweiz zurückgekehrt war, lebte und arbeitete ich während 9 Jahren im Grossbritannien, genauer in England, und konnte dort das Leben unter neo-liberalen Wirtschaftsbedingungen am eigenen Leib erleben. Grossbritannien ist bekanntlich das Land, wo die "moderne" neo-liberale "supply-side" Wirtschaftspolitik von Premierministerin Margaret Thatcher eingeführt und später von Reagan in den USA kopiert und von dort unter dem Markennamen "Globalisierung" der Welt aufgezwungen worden ist. Grossbritannien ist aus diesem Grund am weitesten fortgeschritten in der Privatisierung öffentlicher Dienste. Eisenbahn, Telefon, Strom, Gas, Wasser, (ehemals staatliche) Schulen sowie öffentliche Infrastruktur wie Brücken, Spitäler usw. werden von profitorientierten Unternehmen geführt, gebaut, vertrieben und instandgestellt. Das Resultat dieser Privatisierungen kann sich sehen lassen: Die höchsten Bahnkosten in Europa, sorry in der Welt, versickerndes Wasser aus Leitungen privatisierter Wasserfirmen (3600 Millionen Liter Wasser täglich), effiziente privatisierte Bauvorhaben, die den Steuerzahler am Ende 6 mal soviel kosten, wie wenn die öffentliche Hand es selbst hätte bauen lassen, 7 Tote bei Potter's Bar in 2000, usw, usw. Dass diese Vorfälle nicht hochgespielte Einzelfälle sind, sondern ein zwingender und folgerichtiger Wesenszug privatisierter Dienste, möchte ich hier an einem Beispiel aufzeigen, einer fiktiven privatisierten Bahngesellschaft, die wir SBB nennen wollen.

Der Unterhalt einer Weiche ist nicht gratis und kostete die SBB, als sie noch ein ineffizienter Staatsbetrieb war, 100 Franken (da die Firma nicht existiert, können wir hier den Preis willkürlich festlegen). Vor ein paar Jahren wurde die SBB privatisiert, und sie ist nun ein profitorientiertes Unternehmen, das dem Shareholder jährlich wachsende Profite bescheren muss. Das kann sie auf 2 Arten machen: sie kann die Preise (direkt oder indirekt) erhöhen, oder die Kosten senken. Trotz der durch bürgerliche Parteien vor der Privatisierung versprochenen tiefen Preise im "freien Märcht", hat die SBB die Preise erhöht, indem sie gewisse Streckentarife erhöht hat (direkte Preiserhöhung), oder indirekt, indem sie frühere vorteilhaftere Kombi-Tickets abgeschafft hat, sodass Reisende jetzt teurere Einzelbillete kaufen müssen.

Sie hat aber vor allem auch Kosten gespart. Beim Studium möglicher Einsparungen stösst die SBB auf unsere Weiche, und sie fragt sich, ob sie deren Unterhalt extern nicht billiger bekäme. Kosten einsparen bedeutet Leute entlassen. Sie schreibt also den Unterhalt aus und bekommt ein Angebot einer externen Firma, den Unterhalt für 80 Franken zu machen. Das sind 20% Einsparungen für die SBB! YES!! So vergibt sie den Auftrag.

An dieser Stelle brechen bürgerliche Politiker ihre Überlegungen ab und klopfen sich gegenseitig auf die Schultern. Privatisierung funktioniert! Ein kleines aber wichtiges Detail fehlt aber in der Geschichte: sie ist noch nicht zu Ende. Die externe Firma ist nämlich ein vollständiges Unternehmen mit eigenem CEO, der 2 Millionen pro Jahr heimtragen will (plus Bonus), mit Shareholders, die Dividenden fordern, mit Werbebudgets usw, usw, die sie mit den eingenommenen 80 Franken bezahlen muss. Für den eigentlichen Auftrag geben sie höchstens 50 Franken aus (und das ist sehr grosszügig bemessen). Die externe Firma ist aber eigentlich eher eine Art Ingenieurbüro, wo man sich nicht so gerne die Finger dreckig macht. Dafür gibt es Sub-Unternehmer, von welchen man für die 50 Franken Arbeitskräfte anmietet, um den eigentlichen Unterhalt (=Arbeit) zu machen. Unsere Firma gibt also dem Sub-Unternehmer die 50 Franken, damit der seine Leute zur Weiche hinkarrt und deren Arbeit überwacht. Für einen Weichenunterhalt plant der Sub-Unternehmer 1 Mann ein, der 20 Franken für die Arbeit bekommt. Den Rest behält er für sich, da er ja auch "von etwas leben" muss.

Obwohl ermittelnde Fachleute im Fall des Zugsunfalls bei Potter's Bar in England mit 7 Toten nicht nur von Sub- sondern sogar Sub-Sub-Unternehmen gesprochen haben, möchte ich das Beispiel hier abbrechen und einen kurzen Kassensturz machen.

Als Staatsunternemen hat die SBB für einen Weichenunterhalt 100 Franken bezahlt und vermutlich für ungefähr 100 Franken Gegenleistungen bekommen. Als Privatunternehmen bezahlt die SBB nur noch 80 Franken (YES!!) und bekommt dafür eine Leistung im Wert von 20 Franken. Ich kenne die bürgerliche Scheinwelt nicht, aber in meiner realen Wert bekommt man, was man bezahlt. Für 20 Franken eine Leistung von 20 Franken. Und 7 Tote.

Die Zeile "11.08.8 Ralph Sommerer" gehört 2 mal auf jede Liste!

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