Freitag, 28. September 2007

Ein Brief nach Geschinen

Auf vielfachen Wunsch meiner Leser, deren Anzahl meine Vorstellungskraft sprengt (ich kann mir Zahlen grösser als 2 so schlecht vorstellen), folgt hier der dritte Teil der unsäglichen Privatisierungs-Saga, diesmal über die Die Post (das "Die" ist jetzt offenbar Teil des Namens). Die Geschichte hat drei Kapitel, zwei davon sind bereits Realität. Das dritte Kapitel lässt sich durch das zweifache Zufügen von "11.08.8 Ralph Sommerer" auf jede Liste allenfalls noch verhindern. Dazu jedoch später, denn hier folgt:

Ein Brief nach Geschinen (c.a. 1995)

Um einen Brief von Lützelflüh BE nach Geschinen im Kanton Wallis zu senden, waren 1990 folgende Schritte notwendig:

  1. Zum Briefkasten gehen
  2. Briefmarke aus dem Automaten lassen (A-Post, Fr. 0.80)
  3. Marke aufkleben und Brief einwerfen
  4. Am nächsten Tag kommt der Brief in Geschinen VS an

Schritte: 4. Kosten Fr. 0.80

Dann wurde die Post privatisiert. Sie gehört immer noch zu 100% dem Bund, aber das Beispiel der Swisscom zeigt, dass dies nicht für immer so sein wird. Deshalb:

Ein Brief nach Geschinen (2007)

Um einen Brief von Lützelflüh BE nach Geschinen im Kanton Wallis zu senden, sind heute folgende Schritte notwendig:

  1. Zur Post gehen
    Da Briefmarken-Automaten abgeschafft worden sind, muss man heute an den Schalter
  2. Am Schalter anstehen
  3. Warten, bis der Tschooli vorne am Schalter Post-It, Leim, Kaugummi und "Die Firma" von John Grisham bezahlt hat
  4. Briefmarke kaufen (A-Post Fr. 1.-)
  5. Brief unter der Scheibe durchschieben, damit die Dame die Marke aufkleben kann
  6. Am nächsten Tag kommt der Brief in Geschinen VS an

Schritte: 6. Kosten Fr. 1.-

Da die Die Post als profit-orientiertes Unternehmen nützliche Dienstleistungen abgeschafft (Briefmarken-Automaten) und dafür Unnötiges eingeführt hat (eine Post ist heute ein Kramladen), kommen ein paar Schritte hinzu. Nicht tragisch, aber bezeichnend für die Logik des liberalisierten Marktes, wo alles komplizierter wird, ohne einen eigentlichen Vorteil zu bringen.

Ein Brief nach Geschinen (2013)

Um in 2013 einen Brief von Lützelflüh BE nach Geschinen im Kanton Wallis zu senden, sind folgende Schritte notwendig:

  1. Preise vergleichen
    Da es mehrere Anbieter mit verschiedenen Angeboten gibt, muss man nun sehen, wer für wieviel den Brief ins Wallis verschifft. Mehrere Anbieter beschränken sich auf die profitablesten Zweige, d.h. den Massenversand, sowie den Verkehr zwischen den grösseren Orten.
    1. Die PerVersis hat wohl Briefkästen in den grösseren Orten, aber sie liefert nur in die auf dem Briefkasten aufgeführten Städte. Briefe an andere Ziele, die eingeworfen worden sind, werden an die Die Post übergeben, sofern die Frankatur grösser ist, als der B-Post-Tarif der Die Post, ansonsten werden solche Briefe entsorgt. Nicht gut. Weitersuchen!
    2. SmileMail (alle neuen Firmen tragen englische Namen) ist neben der Die Post der grösste private Komplett-Dienstleister (der an alle Destinationen liefert). Die Preise hängen - marktgerecht - ab vom Absende-Ort, der Destination und dem Gewicht der Sendung. Der zu bezahlende Tarif kann über eine Kurznummer (1919) telefonisch erfragt werden
      1. Kurznummer 1919 wählen
      2. Begrüssungstext und Anleitung abhören
      3. Postleitzahl des Absenders (3432) eingeben
      4. Postleitzahl des Zieles (3981) eingeben
      5. Der günstigste Tarif ist SwissWide Saver und kostet Fr. 7.50 mit Auslieferung 2mal pro Woche (Dienstag und Freitag). Der Anruf selbst kostet Fr. 2.35
    3. Die Post ist verpflichtet, die ganze Schweiz einheitlich zu beliefern, aber da sie die lukrativsten Dienste (Massenversand, Verkehr zwischen den Städten) mit den Konkurrenten teilen muss, musste sie a) die Preise erhöhen (B-Post Fr. 3.-, Versand 2mal die Woche, A-Post wurde für die Regionen abgeschafft), und b) vom Bund in der Grössenordnung von 250mio Fr. im Jahr subventioniert werden. Der Betrag wird dadurch eingespart, dass die Zahlungen an die Gesundheitskosten im gleichen Ausmass reduziert werden, was eine Erhöhung der Krankenkassenprämien um durchschnittlich 3% zur Folge hat.
    4. Wir wählen den günstigsten Anbieter: die Die Post.
  2. Mit dem Auto in den nächsten grösseren Ort fahren (alle Poststellen in den kleineren Orten wurden geschlossen).
  3. Am Schalter anstehen
  4. Warten bis der Tschooli...
  5. Am Schalter B-Post verlangen
  6. Brief unter der Scheibe durchschieben, damit die Dame die Marke aufkleben kann
  7. Am nächsten Dienstag kommt der Brief in Geschinen VS an

Schritte: 16. Kosten 5.35 (Anruf Hotline plus B-Post-Tarif)

...und der ganze Unsinn nur, weil es Leute gibt, die es nicht ertragen, dass von meinen Gebühren (Post, Strom, Wasser, ...) nichts in den Taschen reicher Leute landet. Der ganze Privatisierungs-Irrsinn musst gestoppt werden! Als ersten wichtigen Schritt im Kanton Bern "11.08.8 Ralph Sommerer" 2mal auf jede Liste schreiben.

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